Halitosis
Halitosis ist der medizinische Fachbegriff für Mundgeruch. Synonyme für Mundgeruch sind neben Halitosis auch Foetor ex ore, bad breath, foul breath, offensive breath, foul smell und oral malodor. Mundgeruch ist meist der „Ausdruck“ von Krankheiten in- oder außerhalb der Mundhöhle und keine eigenständige Erkrankung. Ungefähr 20 bis 25 % der Bevölkerung leiden laut Studien ab und zu an Mundgeruch, davon sind etwa 6% ständig mit einem schlechten Atem beschäftigt. Bei 85% der Halitosis-Patienten ist die Ursache oraler Natur, sprich, im Mund zu suchen. Bei 60% der Patienten, die an Mundgeruch leiden, und dessen Ursache in der Mundhöhle anzusiedeln ist, sind Zungenbeläge für den schlechten Atem verantwortlich. Magen-Darm- und Stoffwechselerkrankungen(Diabetes) verursachen weniger häufig Halitosis als bisher angenommen. Krankheiten aus dem HNO Bereich können ebenso wie eine zu geringe Speichelfließrate, Mundatmung oder Schnarchen Mundgeruch verursachen. Eine exakte Befunderhebung ist wichtig, da auch bösartige Tumore Halitosis verursachen können. Dinge des alltäglichen Lebens wie Nahrungsmittel (Knoblauch), Zigaretten, Alkohol können ebenfalls den frischen Atem nehmen. Diese Form von schlechtem Atem hat aber nichts mit Halitosis zu tun. Oft nicht bedacht, aber sehr interessant: Psychischer Stress verstärkt das Problem von Halitosis. Der Leidensdruck von Mundgeruch geplagten Menschen ist sehr hoch. Denken Patienten Sie haben Mundgeruch und ist dieser aber objektiv nicht wahrnehmbar, spricht man von Pseudohalitosis oder Halitophobie.
Woher kommt der Mundgeruch?
In den meisten Fällen hat Mundgeruch seine Ursache in der Mundhöhle. Zungenbeläge und die nicht therapierte Parodontitis sind hier als Hauptübeltäter zu nennen. Manchmal ist auch eine Kombination aus Zungenbelägen und einer Parodontitis für den schlechten Atem verantwortlich.
Bakterien produzieren Schwefelverbindungen
Die Mundhöhle ist ein Biotop von Bakterien. Es liegen anaeorobe, aeorobe und mikroaerophile Bakterien vor. Parodontale Taschen, kariös zerstörte Zähne und die Zunge stellen Schmutznischen dar. Sie sind der ideale Ort für die Akkumulation von Bakterien. Die Zunge ist durch ihre Oberflächenbeschaffenheit ein guter Nährboden für Bakterien und stellt in vielen Fällen Ursache für den schlechten Atem dar. Der Geruch, den wir als so unangenehm bei uns selbst und bei Mitmenschen empfinden, entsteht aus flüchtigen Schwefelverbindungen. Man nennt diese auch volatile sulfur compounds oder kurz: VSC. Bestandteile dieser flüchtigen Schwefelverbindungen sind Schwefelwasserstoff, Methylmercaptan und Dimethylsulfid. Anaerobe Bakterien bilden diese VLCs bei der Verstoffwechselung (Metabolisierung) von Speiseresten, Epithelzellen, Blut, Speichel und Sulkusflüssigkeit.
Zungenbeläge sind die Hauptursache
Beläge auf der Zungenoberseite sind der häufigste Grund für Mundgeruch. Halitosis wird durch die Zungenoberseite sogar öfter verursacht als durch eine Parodontitis. Laut Professor Filippi sind Zungenbeläge in ca. 60% für den schlechten Atem verantwortlich. Je nachdem wie die Zungenoberfläche gestaltet ist, können sich dort Speisereste festsetzen. Diese werden abschließend durch folgende auf der Zungenoberfläche zu findenden Bakterien verstoffwechselt (Filippi, Zungenreinigung, Quintessenz 2011;62(9):1195-1199):
- Porphyromonas gingivalis (parodontalpathogener Keim)
- Prevotella intermedia (parodontalpathogener Keim)
- Treponema denticola (parodontalpathogener Keim)
- Prevotella melaninogenica (parodontalpathogener Keim)
- Fusobacterium nucleatum – aus gingivalem Sulkus („Raum zwischen Zahn und Zahnfleisch“)
- Veilonella alcalescens (aus der Plaque (aus den Belägen)
- Klebsiella pneumonia (aus dem Interdentalraum (Approximalraum)
Das Stoffwechselprodukt dieser Bakterien sind, wie oben beschrieben, so genannte flüchtige Schwefelverbindungen. Für den Mensch riechen diese Verbindungen sehr unangenehm.
Es konnte nachgewiesen werden, dass nicht jeder, der eine schlechte Mundhygiene aufweist auch an Mundgeruch leidet. Aber auch nicht jeder, der an Halitosis leidet, hat eine schlechte Mundhygiene. Allerdings führt die Kombination aus professioneller Zahnreinigung und einer guten Mundpflege zur Senkung der von uns so übel riechend wahrgenommenen flüchtigen Schwefelverbindungen. Da eine akute Parodontitis meist mit Zahnfleischbluten verbunden ist und Blut die Bildung von flüchtigen Schwefelverbindungen erhöht, kann eine Assoziation zwischen akuter Parodontitis und Mundgeruch hergestellt werden.
Kofaktoren von Mundgeruch
Mundgeruch kann aber auch andere Ursachen als die Mundhöhle haben. Vor allem entsteht Mundgeruch durch bestimmte begünstigende Faktoren deutlich leichter. Zu nennen ist ein erniedrigter Speichelfluss, die Mundatmung und das Schnarchen sowie emotionaler Stress. Psychische Probleme sind bei etwa 5 % der an Mundgeruch Leidenden für den schlechten Atme verantwortlich. Aber auch Plaque an Prothesenkunststoff kann zum sogenannten „Prothesen-Mundgeruch“ führen. Eine genaue Befunderhebung ist unumgänglich, da beispielsweise auch Malignome (bösartige Tumore) Mundgeruch auslösen können.
Ursachen im Bereich der Hals-Nasen-Ohren
Auch, wenn die Ursache für Mundgeruch meist in der Mundhöhle zu finden ist, können Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen zu einem schlechten Atem führen. In 4% der Fälle hat Mundgeruch seinen Ursprung im Bereich der HNO. Typische Erkrankung in diesem Bereich sind die Sinusitis (Kieferhöhlenentzündung) und die Tonsillitis (Mandelentzündung).
Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes
Nur bei etwa 1% der Patienten hat die Halitosis ihren Ursprung im Magen-Darm-Trakt. Der Magen und Intestinaltrakt sind meist so gut zur Mundhöhle abgedichtet, dass diese Bereiche nicht ursächlich für Mundgeruch sind. Als Ausnahmen sind die Kardiainsuffizienz und die Refluxerkrankung zu nennen. Die Kardiainsuffizienz beschreibt den unzureichenden Verschluss des Magens gegenüber der Speiseröhre. Bei Refluxerkrankungen kommt es zum Rückfluss von Magensäure aus dem Magen in die Speiseröhre bzw. sogar in die Mundhöhle.
Ernährung und Genussmittel
Wer kennt es nicht? Einige Nahrungsmittel lösen Mundgeruch aus. Der Kollege zum Beispiel, der fürchterlich nach Zwiebeln oder Knoblauch riecht, oder der Geruch eines Rauchers oder Alkoholikers. Alle diese Beschreibungen lassen sich mit dem Wort Mundgeruch beschreiben, sind aber mit dem medizinischen Begriff Halitosis nicht gemeint.
Mundgeruch durch Allgemeinerkrankungen
Es gibt einige systemische Erkrankungen, die mit Mundgeruch einhergehen können. Diabetes mellitus ist genauso zu nennen wie die Urämie und das Nierenversagen. Lebererkrankungen können auch zur Halitosis führen. Einzelne Medikamente können sich auch negativ auf den Atem auswirken.
Was tun?
Die Pharmaindustrie verspricht viel, wenn es um Mundgeruch geht. Doch das alleinige Spülen mit einer Mundspüllösung wird meistens nicht alleine zum gewünschten frischen Arten führen. Als erstes ist der Ursache der Halitosis zu finden. Zahnärzte und Allgemeinmediziner müssen der Ursache des schlechten Atems auf den Grund gehen, erst dann kann die richtige Therapie eingeleitet werden. Die täglich optimale Mundpflege, die die Reinigung der Zahnzwischenräume sowie der Zungenoberfläche beinhaltet, ist hilfreich für einen besseren Mundgeruch. Da Mundgeruch zu ca. 85% seinen Ursprung in der Mundhöhle hat, ist die erste Anlaufstelle der Zahnarzt. Wenn keine Ursachen in der Mundhöhle gefunden werden können, ist eine Überweisung zum HNO Arzt oder Hausarzt notwendig. Häufig müssen mehrere Fachdisziplinen zusammenarbeiten, um eine aussagekräftige Diagnose stellen zu können. Hier können Sie weitere Tipps zum Thema: Was tun bei Mundgeruch nachlesen.
Mundgeruch messen
In Spezialsprechstunden an Unikliniken wird das Thema Mundgeruch behandelt. Mittlerweile sind Geräte für die Praxis entwickelt worden, die flüchtige Schwefelverbindungen in der Atemluft objektiv messen können. Eine solche VSC-Messung, z.B. durch den Halimeter®, kann reproduzierbar und objektiv die Entwicklung des Mundgeruchs ermitteln.
Zur selbstständigen Überprüfung des Atems empfiehlt es sich nicht gegen die eigenen Handflächen zu hauchen. Auch das Riechen an benutzter Zahnseide lässt keine aussagekräftigen Rückschlüsse über Mundgeruch zu. Lediglich mit Hilfe einer Mülltüte können Betroffene den eigenen Atem kontrollieren ohne eine andere Person zu Rate zu ziehen.
Zungenschaber
Da auf der Zunge häufig das Übel des Mundgeruches liegt, ist eine konsequente und ausführliche Zungenreinigung besonders wichtig. Ihr Zahnarzt kann diagnostizieren, ob der Zungenbelag eine mögliche Ursache für die Pein mit dem schlechten Atem ist. Zungenbürsten aus Kunststoff sind nicht empfehlenswert, da in ihrer Oberfläche Bakterien nisten können. Zungenschaber sollten aus Edelstahl sein. Spezielle Zahnpasten steigern die Wirkung der Zungenreinigung mit der Zungenbürste. Es ist wichtig die Zunge so weit wie möglich in Richtung Rachen zu reinigen. Um dem Würgereiz entgegenzuwirken, kann die Zungenspitze fest gedrückt werden. Das Schließen der Augen soll ebenfalls den Würgereiz minimieren.
Mundspüllösungen gegen Mundgeruch
Mundspüllösungen stehen in enger Assoziation mit Mundgeruch. Die Werbung verspricht einen frischen Atem und das Beherrschen der Halitosis, wenn man nur mit dem richtigen Produkt spült. Leider wird eine Mundspüllösung alleine die Ursache von Mundgeruch, sollte diese überhaupt in der Mundhöhle Ihren Ursprung haben, nicht beheben. Nach einer ausführlichen Diagnostik bei Ihrem Zahnarzt und einer professionellen Zahnreinigung, die eine ausführliche Mundhygieneunterweisung beinhaltet, können Mundspüllösungen eine sinnvolle Ergänzung zur täglichen Pflege der Mundhöhle sein. Mundspüllösungen auf der Basis folgender Inhaltsstoffe finden Anwendung:
- Chlorhexidingluconat
- Cetylpyridiniumchlorid
- Chlordioxid
- Amin- und Zinnfluorid
Es gibt aber auch Produkte mit
- natürlichen ätherischen Ölen.
Hausmittel gegen Mundgeruch
Laut Professor Benz (Wirkstoffe in der Halitosisbehandlung, Quintessenz 2011;62(9):1191-1194) fehlen immer noch wissenschaftliche Daten für die häufig anzufindende Empfehlung, dass Ingwer, Petersilie, Zitronen, Kaffeebohnen oder Chlorophylltabletten gegen schlechten Atem helfen. Häufig beruht das Gefühl des frischen Atems auf der geschmacklichen Überdeckung der Schwefelverbindung oder dem Anreiz, mehr Speichel zu bilden. Allerdings gibt es Anzeichen, dass grüner Tee und Teebaumöl als Hausmittel bei Halitosis helfen könnten.
Mundgeruch bei Kindern
Nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder können an Halitosis leiden. Auch hier kann mangelnde Mundhygiene die Ursache sein. Bakterien können sich auf der Zunge, in Zahnzwischenräumen oder kariös zerstörten Zähnen besonders gut festsetzen. Die von uns so übel riechenden Schwefelverbindungen werden freigesetzt. Meist kann mit einer Zahnreinigung und einer Kontrolle beim Zahnarzt Abhilfe gegen den schlechten Atem geschaffen werden. Trotzdem sollte rasch ein Zahnarzt aufgesucht werden, um beispielsweise die sehr selten vorkommende juvenile Parodontitis als Ursache auszuschließen. Grundsätzlich gilt bei Kindern ebenso wie bei Erwachsenen, dass bei einer zu geringen Flüssigkeitsaufnahme Mundgeruch entstehen kann. Und auch Babys können schon an einem schlechten Atem leiden. Das Zahnen ist hierfür möglicherweise die Ursache. Sind nicht die durch Bakterien entstehenden flüchtigen Schwefelverbindungen der Grund für den Mundgeruch, kann dieser beispielsweise durch die Mundfäule (Gingivostomatitis herpatica) verursacht werden. Die Mundfäule ist viral bedingt und umfasst das Zahnfleisch, die Zunge und die Mundschleimhaut und geht mit einem ausgeprägten Foetor ex ore, schmerzenden weißen Bläschen und Fieber einher. Es gilt unverzüglich den Kinderarzt aufzusuchen. Der Kinderarzt muss auch bei dem Verdacht einer Mandelentzündung schnellstmöglich aufgesucht werden. Eitrige Mandeln verursachen möglicherweise den schlechten Atem. Riecht das Kind wie Nagellack-Entferner aus dem Mund kann dies beispielsweise mit einer bisher unbekannten Diabetes Erkrankung einhergehen. Der Kinderarzt sollte Ihr sofortiger Ansprechpartner sein.
Quellen:
- Filippi, Zungenreinigung, Quintessenz 2011;62(9):1195-1199
- Filippi, Meyer, Halitosis – Ursachen, Diagnose, Therapie, Schweiz Med Forum 2004;4:585-589
- Schreiber, Leidensdruck bei Halitosis, Quintessenz 2011;62(9):1143-1145
- Waltimo, Die spezielle orale Mikrobiologie, Quintessenz 2011;62(9):1137-1140